Es ist schwer, von einem Ort zum nächsten zu ziehen; akzeptiert zu werden und sich heimisch zu fühlen in einem Land, in welchem man zwar geboren wurde, aber trotzdem nicht ganz dazugehören zu können. Es ist noch schwerer, wenn man diesen Weg alleine bezwingen zu müssen scheint, ohne Hoffnung auf Hilfe. Es wird dann am schwersten sein, wenn man bemerkt, dass die Menschen, die einen im Laufe der Zeit beginnen zu begleiten, doch keine wahren Gefährten sind, sondern Feinde. Wahre Verbundenheit und Freundschaft zu finden ist schwer in einer Zeit, in welcher jeder Mensch nur noch auf sich selbst und sein eigenes Leben achtet. Findet man dann doch die richtige Person, dann sind die Grenzen zwischen Leben und Tod, wahr und falsch, Existenz und Nichtsein, Leiblichkeit und Transzendenz fließend.
Mit DOST möchte ich dieses hin und her von Gefühlen, dieses auf und ab von Lebenseinstellungen und die Freude und das Leid eines solchen Menschen darstellen. Im Fokus hierbei steht SINEM, die sich zuerst als Kind in einem Dorf voller rassistischer Bürger zurecht finden und sich beweisen; als Erwachsene sich mit den typischen Problemen einer jungen Frau wie Liebe, Partnerschaft, Familie und Freundschaft auseinander setzen muss, bis sie endlich zu ihrem Frieden und der Wahrheit ihrer selbst gelangt. Diesen Weg, diese verwirrende Lebensfahrt eines Individuums, möchte ich sehr dramatisch und mystisch erzählen, wobei der Witz an ausgewählten Stellen nicht verloren gehen darf, aber auch nicht künstlich erzwungen werden sollte. Eine zumeist sehr stille, farblosgraue und dunkle Straße führt Sinem durch ihr eigenes Leben. Die Erzählung dreht sich hauptsächlich um die Beziehung zwischen der noch jungen Sinem und DOST; und zwischen Sinem und ABI. Jeder Augenblick, jedes Treffen der beiden soll neue Gefühle, neue Haltungen und neue Kraft in Sinem erwecken. Es wird ein Auf und Ab von Gefühlen geben, und immer dann, wenn man denk, alles sei gut, kommt eine große Wende und alles wird nur noch schlimmer. Die beiden Lebensabschnitte von Sinem, ihre Jugend und ihre Zeit als junge Erwachsene, sollen so authentisch wie möglich erzählt werden. Der Zuschauer wird immer wieder begleitet von Sinems Stimme und deren moralischen Worten aus dem Off. Auch Abi, der Sinem durch seine verschleierten Worte einen philosophischen Charakter erhält, gibt auch indirekt und ganz unauffällig dem Zuschauer Ratschläge für sein eigenes Leben. Es werden immer wieder gesellschaftliche, kulturelle und innermenschliche Themen aufgegriffen. Auch prallen immer wieder zwei Welten, zwei Mentalitäten aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein können. Doch im Kern geht es um Existenz und Nichtexistenz, sowie um die mentale Verbindung zweier getrennter Menschen, die doch irgendwie Eins sind. Der aufmerksame Zuschauer wird erkennen, dass Abi genau das Sinem auf dem Weg gibt, was sie selbst bereits wusste, diese Gedanken aber nie zuließ und die Worte nie aussprach. So mehrdeutig wie der Name DOST ist, was bester Freund, Liebhaber und Ähnliches bedeuten kann, so unterschiedlich wird auch die Beziehung der beiden von Sinems Freunden gewertet. DOST ist jedoch keines Wegs ausschließlich eine filmisch fiktive, sondern auch eine Erzählung, die aus persönlichen Gründen und Gefühlen so geschrieben wurde.
Durch die vielen Dialoge und die filmische Atmosphäre soll der Zuschauer die Welt verstehen lernen, in der die Geschichte spielt. Auch soll er Sinems Beweggründe und sie im tiefsten inneren kennen lernen. Der Zuschauer soll dabei nicht nur optisch beeinflusst werden, sondern auch ein genaues Gefühl für die Menschen und ihr Umfeld bekommen. Hierbei ist besonders auch die visuelle Darstellung sehr wichtig, sie macht das Leben spürbarer. Denn auch in unseren Erinnerungen verknüpfen wir Augenblicke mit besonderen Empfindungen. Wie auch Sinem werden die Zuschauer von Abi erleuchtet. So wird mit vielen Bildfiltern und Tönungen gearbeitet. Sobald Abi erscheint, er also präsent ist, wird das Bild leicht hellblauen getönt, die zusammen mit der weißen Kleidung von Abi einen kühlen oder sogar sterilen Eindruck vermittelt. Dieses helle, bläuliche Licht erzeugt keine Action, sondern strahlt Ruhe aus – Ruhe und Einsicht, die Sinem durch Abi empfängt. Die in der Vergangenheit spielenden Szenen dagegen werden leicht gelb-braun dargestellt. Bis auf die Szenen mit dem kleinen Jungen in Weiß, bei welchem die Darstellung gleich die der Abi-Szenen sind. Allgemein ist Sinems Welt regnerisch, trostlos und matt. Auch verändert und wandelt sich Sinems Welt mit jeder Emotion, die Sinem spürt. Wird Sinem traurig, so ist auch alles um sie herum traurig. Fühlt sie sich verloren, so ist auch alles andere verloren. Steigt in ihr eine Wut, so wütet auch das Wetter; weint sie, so weint auch der Himmel. Durch diese Veranschaulichung in Bild und Ton, durch diese Kombination der Gefühle wirkt die Welt von Sinem so greifbar und der Zuschauer fühlt sich als Teil des Geschehens, als würde er an Sinems Seite sein und manchmal sogar zu einem Teil von ihr selbst sein. Diese Transparenz macht DOST zu dem, was er sein soll: Ein Film, der über die Grenzen hinausgeht. In DOST ist die Kamera bis auf wenige Ausnahmen fest mit Sinem verbunden. Der Zuschauer sieht das, was Sinem auch sieht, also schon fast mit ihren Augen. Ihre äußere und innere Welt wird von Minute zu Minute immer offener. Durch Abi lernt Sinem sich selbst und ihre Umgebung immer besser kennen, alles wird immer heller, auch wenn es immer noch kalt und düster, manchmal auch nebelig in ihrer individuellen Welt ist. Diese neu erweckten Eindrücke verarbeitet Sinem auf ihre ganz eigene Weise. Abi schafft es in Sinem neue Gefühle, neue Motive und eine neue Hoffnung zu erwecken. Diese Hoffnung soll auch auf die Zuschauer übergehen.